Das Glück begann am Schwarzen Meer (15.000 two children) - unfreiwillige Spende

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1 January 1998

Das Glück begann am Schwarzen Meer

Eigentlich wollten sie nur eine Tochter, aber dann wurden es doch zwei...Familie Herrmann berichtet über die Adoption ihrer beiden Töchter aus Rumänien.

Autor: Gabriele Möller

In diesem Artikel:

Erste Begegnung bei 50 Grad in der Sonne

Zunächst wartet eine herbe Enttäuschung

Die erste Zeit im neuen Zuhause

Wie sollten Adoptiveltern ausländischer Kinder sein?

Erste Begegnung bei 50 Grad in der Sonne

Mutter Kind Hand halten iStock isitsharp

Foto: © iStockphoto.com/ isitsharp

"Aurelia hat mich gleich in den Arm genommen und mich Papa genannt", erinnert sich Peter Herrmann an die erste Begegnung mit seiner Tochter. Damals war es mehr als 50 Grad heiß unter der gleißenden Sonne am Schwarzen Meer. Dort nämlich traf die Familie Herrmann ihr späteres Adoptivkind zum ersten Mal. "Weil die Zeit in Rumänien drängte, haben wir die Einverständniserklärung für die Adoption unterschreiben müssen, ohne Aurelia kennen gelernt zu haben", erzählt Aurelias heutiger Vater Peter. "Wir hatten vorher lediglich ein Foto von ihr gesehen."

Doch werfen wir zunächst einen Blick auf den Anfang der Geschichte. Begonnen hat alles im Mai 1997. Familie Herrmann hat bereits einen Sohn, Björn, der damals zehn Jahre alt ist. "Ich habe mir noch ein Mädchen gewünscht, aber ein eigenes Baby wäre altersmäßig sehr weit weg gewesen von Björn", erklärt Peter, "und außerdem wäre die Chance auf ein Mädchen ja nur 50 Prozent gewesen." Bald kommt zunächst bei ihm, dann auch bei seiner Frau der Gedanke an eine Adoption auf. Ein deutsches Kind zu adoptieren erweist sich nach ersten Erkundigungen als schwierig und langwierig. Familie Herrmann nimmt Kontakt zum ISD (Internationalen Sozialdienst) in Frankfurt auf. Als die Herrmanns erklären, sie wollten gern ein älteres Kind haben, sagt die dortige Mitarbeiterin erfreut: "Bei mir rennen Sie offene Türen ein."

Diesen Satz wird Peter nie vergessen, denn nun nimmt endlich alles seinen Lauf. Nach einigen langwierigen bürokratischen Hürden kommt im Mai 1998 der erste Kindervorschlag aus Frankfurt: "Wir bekamen ein Foto von einem fünfjährigen Mädchen, sie hieß Aurelia." "Ja, das ist es!" denken die Herrmanns sofort und schließen das kleine Mädchen gleich ins Herz. Und schon im Juni kommt die heiß ersehnte Nachricht: Sie können Aurelia in Rumänien kennenlernen.

Zunächst wartet eine herbe Enttäuschung

Zuerst geht es per Flugzeug nach Bukarest. Nach Erledigung der umständlichen Zollformalitäten wird Familie Herrmann bereits von Oktavian, einem Begleiter der Stiftung "Eltern und Kinder", erwartet. Es geht zur Begrüßung und Erledigung der wichtigen Formalitäten in die Kanzlei der rumänischen Rechtsanwältin Frau Harvalia, die Vorsitzende der Stiftung ist. Gleichzeitig zahlen die Herrmanns die Gebühren und eine unfreiwillige "Spende" von insgesamt 2500 US-Dollar.

Familie Herrmann erfährt hier auch weitere Details über Aurelia. Herr Harvalia begleitet die Herrmanns auf dem 400 Kilometer langen Weg zum Kinderheim II in Deva, wo ihre zukünftige Tochter auf sie warten soll. Doch am Ziel angekommen, wartet stattdessen eine herbe Enttäuschung: Aurelia ist nicht da. Sie ist mit ihrer Gruppe in die Ferien ans Schwarze Meer gefahren. "Also hieß es, die ganzen 400 Kilometer nach Bukarest wieder zurückfahren", erzählt Peter Herrmann. Man beschließt aber, auf keinen Fall zurückzufliegen, ohne Aurelia kennengelernt zu haben, sondern ihr ans Schwarze Meer nachzureisen. Es ist eine lange Tour über Constanta und Mamaia bis ans Ziel.

"Am Meer war es ungeheuer heiß. Wir haben erst mal mit Aurelia gebadet und gespielt, um sie auf lockere Art besser kennen zu lernen", so Peter. Trotzdem entschädigt dieses Kennenlernen für alle bisherigen Strapazen. Bei diesem Besuch sehen die Herrmanns auch die Freundin Aurelias, die gleichaltrige Alina, zum ersten Mal und schließen auch sie schnell ins Herz. Eine schicksalhafte Begegnung, denn genau ein Jahr später wird Alina die zweite Tochter der glücklichen Herrmanns werden.

Wichtig: Kinder selbst im Heimatland abholen

Aurelia wird schließlich im Oktober 1998 aus dem Kinderheim II in Deva von Familie Herrmann abgeholt, der Abschied ist sehr herzlich. Der Kontakt zum Kinderheim und den Erzieherinnen besteht bis heute. Das ist wichtig, wie Peter betont: "Ich finde es sehr wichtig, die Kinder selbst im Heimatland abzuholen, und dort so viele Informationen wie möglich über sie, ihre Vergangenheit und ihr Umfeld zu sammeln", rät Peter Herrmann allen adoptionswilligen Eltern. "Diese Gelegenheit bietet sich später nie mehr, und die Kinder fragen garantiert irgendwann, woher sie kommen. Auch ergeben sich so Kontakte zur Familie oder zu Bezugspersonen der Kinder, so dass spätere Besuche mit den Kindern in ihrer ursprüngliche Heimat möglich sind." Man sollte also Zeit mitbringen und auch Videokamera und Fotoapparat nicht vergessen.

Die erste Zeit im neuen Zuhause

Doch zurück zur Heimkehr mit der kleinen Aurelia. Schon auf der Rückreise freundet sich Sohn Björn mit Aurelia an und tröstet sie auch, als das erste Heimweh aufkommt. Zu Hause angekommen, steht bei Aurelia erst einmal ein gründlicher medizinischer Checkup an. "Wir wussten bereits, dass sie Hepatitis B hatte", erzählt Peter Herrmann, "genau wie Alina, die ja dann später zu uns kam." Sicherheitshalber ließ sich die ganze Familie gegen diese Infektionskrankheit impfen.

Die übrige Familie, vor allem die Großeltern, Tanten und Onkel reagieren nach einer gewissen Gewöhnungszeit sehr positiv auf die Kinder. Für Vater Peter ist jedoch die Anfangszeit mit Aurelia trotz des guten Starts am Schwarzen Meer nicht einfach, denn das Mädchen bevorzugt eine Zeitlang sehr seine Frau Marlene. Im Kinderheim gab es nur weibliche Betreuerinnen, Männer waren für sie ungewohnt. Peter fühlt sich zeitweise von seiner neuen Tochter ziemlich "abgeschrieben". Doch diese Phase dauert glücklicherweise nur wenige Wochen.

Auch für Sohn Björn ist die Anfangszeit nicht ganz leicht. "Er kam, was mich angeht, eine Weile lang ein bisschen zu kurz, weil ich mich sehr auf die Mädchen konzentrierte, die sich ja gut einleben und die Sprache lernen sollten", erinnert sich Peter. "Aber das hat sich längst wieder ausgeglichen". Überhaupt finden es die Hermanns anfangs mehr als bedauerlich, dass sie kein Rumänisch können. Denn wichtige Dinge aus der Vergangenheit der Kinder kommen so nur schwer ans Licht: "Zum Beispiel stellte sich erst durch die rumänische Adoptivtochter einer befreundeten Familie, die mit unserer Alina sprechen konnte, etwas Schlimmes heraus: Alina war von ihrer Mutter ausgesetzt worden", berichtet ihr heutiger Vater.

Wie sollten Adoptiveltern ausländischer Kinder sein?

Gibt es bestimmte Charaktereigenschaften, die man haben sollte, wenn man ein ausländisches Kind adoptieren möchte? "Man muss schon belastbar sein und einen Packen Geduld aufbringen", so Peter Herrmann. "Und natürlich muss man bereit sein, das Kind als eigenes Kind aufzunehmen, keinen Unterschied zwischen eigenen und adoptierten Kindern zu machen." Aurelia und Alina sind heute sieben Jahre alt und haben das Rumänische weitgehend vergessen oder besser: verdrängt, wie Peter Herrmann glaubt. "Sie schließen auf diese Weise für sich mit ihrer Vergangenheit ab, zu der ja auch die Sprache gehörte", glaubt er. Alina hat ihre Hepatitis-Infektion inzwischen überwunden, Aurelia noch nicht.

Die beiden Adoptionen haben insgesamt rund 15.000 EUR gekostet. Das Adoptionsverfahren für rumänische Kinder dauert normalerweise etwa ein Dreivierteljahr. Besonders beeindruckt hat die Herrmanns immer wieder die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Rumänen. Nicht nur deshalb haben sie das Land inzwischen sehr ins Herz geschlossen. Peter Herrmann ist nicht zuletzt deshalb aktiv im Verein "Rumänien Arbeitsgruppe Hemmingen e.V. Ein Haus für Morgen". Diese Rumänienarbeitsgruppe unterstützt Waisenhäuser in Siebenbürgen/Rumänien und hat das Ziel, langfristig solche Heime durch Familienhäuser zu ersetzen. In diesen Häusern leben die Kinder in Gruppen mit ihren Betreuern zusammen, ähnlich dem Vorbild der SOS-Kinderdörfer.

"Vier Häuser sind bereits errichtet, weitere sollen folgen. Ein Säuglingsheim konnte bereits geschlossen werden", berichtet Herrmann zufrieden. Der Verein ist auch im Internet zu finden . Familie Herrmann hat auch eine eigene Homepage, auf der adoptionswillige Eltern oder Adoptiveltern ausländischer Kinder nähere Informationen zum Adoptionsverfahren und über die Rumänienhilfe erhalten. Zu der Homepage kommt man über die URL www.adoptionsdatenbank.de.

Literaturtipp

Es gibt ein sehr schönes Lesebuch, das adoptionswilligen Eltern, die sich für ein ausländisches Kind interessieren, ganz dringend ans Herz gelegt werden muss: In dem Erfahrungsbericht "Sirintra – Wunderschöner Mond" erzählt eine Familie mit sehr viel Sensibilität und großer Innigkeit über ihre Freuden und Leiden im Zusammenhang mit der Adoption ihres vierten Kindes, der aus Thailand stammenden kleinen Sirintra, genannt Siri. Das ehrliche und wunderschön geschriebene Buch bringt den Leser abwechselnd zum Lachen und zum Weinen. Andrea Dück-Mertins: Sirintra – wunderschöner Mond. Der etwas andere Weg zur Großfamilie. Kirchturm Verlag 2000.

Lesen Sie hierzu auch unsere Artikel Adoption kein Zuckerschlecken und Eltern gesucht. Weitere Informationen und nützliche Links finden Sie unter www.adoptierte.de.