Das zweite Leben des Geheimdienst-Informanten

11 May 2010

11. Mai 2010, 03:06 Uhr

Kießling-Affäre

Das zweite Leben des Geheimdienst-Informanten

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Udo Erlenhardt, ehemaliger Chefredakteur des ersten deutschen Schwulenmagazins "Du", war eine schillernde Figur in der Affäre um den Bundeswehr-General Kießling 1984. Jetzt leitet er mit neuer Identität ein rumänisches Kinderheim - als selbst ernannter Pater.

Von Martin Zips

Udo Erlenhardt - General Günter Kießling erinnert sich an diesen Namen. Es müsse mit der ¸¸berufsbedingten Oberflächlichkeit" von Journalisten zusammenhängen, dass sie damals ihre Recherchen auf ¸¸so eine Randfigur" stützten, sagt Kießling, 80. Aber die ganze Affäre sei ja nun schon ein paar Jahre her. Er werde sich hüten, etwas über seine Befindlichkeit an diesen Tagen zu erzählen. Vorbei ist vorbei. Nur so viel: ¸¸Es tauchten damals viele dubiose und teilweise vorbestrafte Gestalten auf. Wie konnte sich eine Bundesregierung eines freiheitlichen Rechtsstaates mit solchen Leuten einlassen?"

Deutschland im Jahr 1983: Viersternegeneral Günter Kießling wird - zunächst ohne Angaben von Gründen - zum 31. Dezember vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Im Januar "84 heißt es, er sei wegen seines Umgangs in der Homosexuellen-Szene ein Sicherheitsrisiko für die Bundeswehr. Kießling wehrt sich gegen die Vorwürfe, Verteidigungsminister Manfred Wörner aber beruft sich auf Erkenntnisse des Militärischen Abschirmdienstes. Medien nennen Zeugen für Besuche Kießlings im Kölner Schwulentreff ¸¸Tom Tom". Einer von ihnen ist Udo Erlenhardt, ehemaliger Klosternovize und Gastwirt, dann Chefredakteur des ersten deutschen Schwulenmagazins Du und ich und Mitarbeiter einer Holding, zu der auch das Lokal ¸¸Tom Tom" gehört. Bald wird klar: Die Vorwürfe gegen General Kießling lassen sich nicht halten. Wörners Ministersessel wankt, Kanzler Kohl übernimmt die Verantwortung. Auf die Wiedereinstellung des Generals folgt eine Ehrenerklärung und die Verabschiedung zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt mit allen militärischen Ehren. Ein Untersuchungsausschuss wird eingesetzt. Kießling erhält einen Lehrauftrag an der Universität Erlangen, schreibt Bücher und Fachartikel - zum Beispiel zum Thema ¸¸Der Christ als Soldat". Udo Erlenhardt verschwindet spurlos.

Das zweite Leben des Geheimdienst-Informanten

Erst jetzt wird bekannt: Als Pater Don Demidoff betreibt er bereits seit 15 Jahren in Rumänien ein aus mehreren Häusern bestehendes Heim für Straßenkinder. Auf Drängen des Staatsschutzes, so erzählt Don Demidoff, 61, der Süddeutschen Zeitung, habe er damals eine neue Identität angenommen. Er sei bedroht worden. Von wem, das wisse er nicht.

Seit ein paar Wochen hat es die ¸¸Schutzgemeinschaft gegen Sekten und Kulte" um den Allgäuer Robert Schlittenbauer auf Pater Don Demidoff abgesehen. ¸¸Welche Rolle spielte der Staatsschutz? War er für diesen tätig? War er Informant? Wie und weshalb bekam er den neuen Namen Don Demidoff?", fragt Schlittenbauer im Internet. ¸¸Dieser Text rückt meinen Mandanten in ein völlig falsches Licht", sagt hingegen Demidoffs Anwalt und will mit einer einstweiligen Verfügung gegen den Text Schlittenbauers vorgehen.

Robert Schlittenbauer, der sich wegen allerlei Recherchen im Dunstkreis esoterischer Menschenfänger viele Verdienste erworben hat, hatte sich ursprünglich für das Kaufbeurer Sekretariat des Vereins Casa Angelorum (Haus der Engel) interessiert. Hier verweist Don Demidoff auf seine Stiftung ¸¸Pater Don" und auf die konservative ¸¸Independent Catholic Church USA". Auf der Casa-Angelorum-Homepage wird auf ¸¸Ferien bei den verlassenen Kindern" in Rumänien hingewiesen: ¸¸Zimmer gibt es in Cincu, Jakobsdorf und Bukarest gegen eine Spende für den Unterhalt der Kinder." Ein paar Klicks weiter finden sich krude theologische Engels-Thesen, wie man sie von Engelwerk-Gründerin Gabriele Bitterlich kennt. Außerdem weist Don Demidoff hier auf sein autobiografisches Buch ¸¸Der Dornenpriester" hin (Klappentext: ¸¸Ich werde Kakaopulver in die Milchstraße streuen und den Mond in Bonbonpapier einwickeln"). Dass er unter anderem Namen eine Ikone der deutschen Schwulenszene war und eine Rolle in der Kießling-Affäre spielte, steht hier nicht. Am Telefon aber bestätigt Don Demidoff seine frühere Identität.

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Schon vor Jahren warnte die katholische Kirche vor Spenden an den selbst ernannten Pater. Man betonte, dass Don Demidoff weder etwas mit der katholischen Kirche noch mit den Salesianern Don Boscos zu tun habe - auch wenn er sich auf Don Bosco berufe. Wegen Demidoff gebe es ¸¸negative Auswirkungen auf die eigene Arbeit", erklärten die Don Bosco-Salesianer. Doch außer Unregelmäßigkeiten bei den Sozialabgabenzahlungen liegt in Deutschland nichts gegen den Don vor. Alles in Ordnung also? Sekten-Experte Schlittenbauer schreibt, Demidoff sei - nur wenige Tage nachdem er in seinem Internet-Tagebuch von seinem zweiten Herzinfarkt berichtet hatte (¸¸Ich fühle mich wie ein Auserwählter in der Klinik empfangen") - Mitte März in Kaufbeuren aufgetaucht. Er habe eilig sein Sekretariat aufgelöst. ¸¸Von der Erschöpfung durch einen Herzinfarkt, so Zeugen, konnte nicht die Rede sein", so Schlittenbauer. - ¸¸Um Kosten zu sparen, haben wir das Sekretariat vorläufig eingestellt", sagt der Pater.

Am Telefon spricht Don Demidoff mit fester, tiefer Stimme. Sofort kündigt er juristische Schritte an, sollte irgend etwas nicht stimmen, was man über ihn veröffentlicht. Schlittenbauer versuche, ihn in ein dubioses Licht zu rücken. Die Recherchen von Schlittenbauers ¸¸Schutzgemeinschaft gegen Sekten und Kulte", die im Internet veröffentlicht sind, hätten bei seinem Straßenkinderprojekt schon jetzt zu einem ¸¸massiven Spendenrückgang" geführt. Dagegen geht er nun juristisch vor. ¸¸Wenn das so weitergeht, muss ich Kinder entlassen", droht der Pater, der erstmals freimütig über seine Zeit als Udo Erlenhardt aus der Kießling-Affäre berichtet. ¸¸Das war ein buntes, schillerndes Leben. Aber Saulus ist ja auch zum Paulus geworden." Warum solle jemand mit einer solchen Vergangenheit denn nicht etwas Sinnvolles machen dürfen? Die Kritik der römisch-katholischen Kirche tangiere ihn nicht. Schließlich habe er als Mitglied einer Freikirche nichts mit ihr zu tun. ¸¸Ich habe nichts zu bereuen. Und gegen den General Kießling habe ich auch nichts gesagt." Wenig später ruft sein Anwalt an. Er spricht von ¸¸fünfstelligen Monatsbeträgen in Euro", die Don Demidoff fehlten, seitdem die Vorwürfe im Internet aufgetaucht seien. ¸¸Wir wehren uns gegen jede Diffamierungsaktion."

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Mitte Mai soll über eine Einstweilige Verfügung, die Demidoff gegen Schlittenbauer erwirken will, vor einem Kemptener Gericht verhandelt werden. Demidoffs Anwalt gibt den vorläufigen Streitwert mit 50 000 Euro an. - Vielleicht sei es ja eine wirklich gute Sache, was dieser Mann in Rumänien so mache, meint der Sektenbeauftragte der Diözese Augsburg, Hubert Kohle. ¸¸Andererseits macht es mir nichts aus, dass er nun aus Kaufbeuren verschwindet."

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