"Verbotene" Sternipark-Kita bekommt Gnadenfrist

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21 October 2008

BETREUUNGSANGEBOT

"Verbotene" Sternipark-Kita bekommt Gnadenfrist

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VON SIMONE MEYER21. Oktober 2008, 18:46 Uhr

Nachdem Anwohner erfolgreich gegen die Kita in der Reventlowstraße geklagt hatten, haben sich Trägerverein und Bezirk darauf geeinigt, dass der Betrieb am Freitag endet. Sternipark will nun eine Betriebserlaubnis für nur 32 Kinder beantragen – obwohl sich das eigentlich nicht rentiert. Politiker fordern neue Gesetze.

Foto: Bertold Fabricius

Seit Februar baut der Verein Sternipark an der Reventlowstraße eine alte Stadtvilla um. Die rund 40 Kinder, die dort seit sieben Wochen betreut werden, dürfen noch bis Freitag kommen. Dann ist Schluss

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Neugierig stehen die Kinder oben am Fenster und gucken auf den Weg zum Eingang ihrer Kita: Schon wieder stehen dort unten viele Leute mit Fernsehkameras und Fotoapparaten. Und fast jede Mama, die an diesem Morgen einen Spielkameraden bringt, löst ein Blitzlicht aus und erzählt einem Reporter, wie entsetzt sie ist. Die Sternipark-Kita in Othmarschen ist in den vergangenen Wochen eben berühmt worden: Weil sie die zweite in Hamburg ist, die nach einem umstrittenen Gerichtbeschluss schließen muss.

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Nach einem zweistündigen Krisengespräch haben sich der Trägerverein Sternipark und der Bezirk Altona am Dienstagnachmittag darauf geeinigt, dass der Betrieb in der Reventlowstraße am Freitag endet. Bis Montag wollen sich die Beteiligten dann bemühen, die 40 dort bisher betreuten Kinder in anderen Einrichtungen unterzubringen.

Wie berichtet, hatte das Oberverwaltungsgerichts (OVG) klagenden Nachbarn Recht gegeben. Die Kita sei mit 60 Plätzen zu groß für ein „besonders geschütztes Wohngebiet“ wie das an der Reventlowstraße, lautete die Begründung.

FOTO: BERTOLD FABRICIUS

Die stellvertretende Sternipark-Chefin Leila Moysich und Kita-Leiterin Ilona Riebes sind traurig

Sternipark will nun eine neue Betriebserlaubnis für 32 Kinder beantragen – obwohl sich Kitas in dieser Größenordnung eigentlich nicht rentabel betreiben ließen. „Wir werden den Antrag schnellstmöglich bearbeiten und dazu auch die Nachbarn hören“, sagte Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (parteilos). Möglicherweise könne der Betrieb in einem Monat mit „gut 30 Kindern“ weitergehen.

„Wir wollen diesen Kindergarten nicht so leicht aufgeben“, betonte Leila Moysich, die stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins, am Dienstagmorgen. Sie nimmt nun den Bürgermeister in die Pflicht: Ole von Beust (CDU) habe angekündigt, dass im Zweifelsfall eben die Gesetze geändert werden müssten, wenn der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gefährdet sei.

POLITIKER BEFÜRCHTEN WEITERE KLAGEN

Weil das OVG in diesem konkreten Fall eindeutig das Baurecht als ausschlaggebendes Kriterium in den Vordergrund rückte, stellt sich für die Beteiligten nun die Grundsatzfrage, wo und in welchem Unfang Kitas in Wohngebieten überhaupt gebaut werden dürfen. Politiker aller Parteien beklagen mangelnde Rechtssicherheit und befürchten weitere Klagen. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion fordert gar eine bundesrechtliche Änderung in der Baunutzungsverordnung, damit Kitas in reinen Wohngebieten regelhaft zulässig sind.

Die Bürgerschaft werde nach diesem OVG-Beschluss nicht umhin kommen, diese Frage neu zu diskutieren und anschließend zu juristisch verbindlichen Regelungen zu kommen, sagte auch der jugendpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Stephan Müller. Er kündigte an, das Urteil umfassend zu prüfen. Danach sollte unter Einbeziehung aller zuständigen Fachgebiete ein Vorschlag erarbeitet werden, der den Betrieb von Kitas auch in geschützten Wohngebieten unproblematisch ermögliche.

Nachdem das Verwaltungsgericht Sternipark den Betrieb der Kita Anfang August per Eilbeschluss untersagt hatte, sprang der Bezirk Altona in die Bresche und erlaubte den Betrieb zunächst weiter, allerdings nur im Gebäude. „Wir haben versucht zu zeigen, wie man modernes Kinderbetreuungsrecht und alte Planausweisungen kompatibel machen kann“, so Warmke-Rose.

SPD KRITISIERT VERSÄUMNISSE VON SENAT UND BEHÖRDEN

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion sieht auch in Versäumnissen von Senat und Behörden die Ursache für die Zuspitzung im Streit um die Kita in der Reventlowstraße. „Seit drei Jahren schieben die Verantwortlichen eine Lösung vor sich her“, sagte die sozialpolitische Sprecherin Carola Veit. „Hamburg braucht einen Ausbau in der Kinderbetreuung und zusätzliche Einrichtungen.“ Es sei aber zu befürchten, dass neue Einrichtungen immer häufiger in Rechtsstreitigkeiten verwickelt würden.

Auch die FDP beklagt, dass der „politische und gesellschaftliche Wille nach einem intensiven Ausbau der Kindertagesbetreuung“ und der „Bedarf von einem Teil der Bevölkerung nach Wohnoasen“ nicht zusammen passten.

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Nach der Entscheidung des OVG sind in Othmarschen nur „kleine“ Einrichtungen erlaubt, weil es einen Zusammenhang zwischen Größe und „Störungspotenzial“ gebe. Bei einer Kita mit 60 Kindern handelt es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um eine „kleine“ Einrichtung. Carola Veit dagegen sagte, die Durchschnittsgröße einer Hamburger Kita liege bei 73 Kindern, „Tendenz steigend“.

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