Leihmutter-Drama

4 March 2009

Leihmutter-Drama

Deutsche Eltern kämpfen in Indien um ihre Zwillinge

Von Hasnain Kazim, Islamabad

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AP

Ein Ehepaar aus Bayern ließ seine Zwillinge von einer indischen Leihmutter zur Welt bringen. Jetzt ist ein Streit um die Staatsangehörigkeit der Kinder entbrannt - in welches Land gehören sie?

Kinderlose Ehepaare aus Europa setzen ihre Hoffnungen zunehmend auf Indien. In den Großstädten des Landes boomt der Markt der Leihmutterschaft, Kliniken werben damit, ihren Klienten den Traum vom Familienglück verwirklichen zu können.

Statt bis zu 100.000 Dollar wie in den USA oder in Europa wird in Indien nur etwa ein Zehntel der Summe verlangt, einschließlich Eizelle einer fremden Frau, wenn die der Wunschmutter nicht in Frage kommen, und Austragen durch eine dritte Frau. Das Geschäft lohnt sich. Auch gleichgeschlechtliche Paare müssen hier nicht viele Fragen beantworten. Nur selten machen tragische Fälle Schlagzeilen, wie der des Mädchens Manji, dessen Wunscheltern sich kurz vor der Geburt trennten und plötzlich niemand mehr das Kind haben wollte.

Für eine deutsche Familie ist der Traum von der Elternschaft dank Hilfe in Indien aber vor zwei Jahren zum Alptraum geworden: Eine indische Leihmutter brachte für das Paar aus Bayern Zwillinge in einem indischen Krankenhaus zur Welt. Nach Ansicht der indischen Behörden sind die beiden Jungen deutsche Staatsbürger. Warum sollte es auch anders sein, so die Argumentation. Leihmutterschaft ist erlaubt und niemand anderes als das deutsche Paar wollte diese Kinder. Inder jedenfalls sind diese Kinder nicht, sagen die Behörden - und verweigern ihnen indische Papiere.

Verstoß gegen die Menschenwürde

In Deutschland ist die Leihmutterschaft jedoch verboten, sagt der deutsche Botschafter in Neu-Delhi, Thomas Matussek, der Nachrichtenagentur dpa, "weil sie mit unseren Vorstellungen von Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz verankert ist, nicht zu vereinbaren ist".

Für Deutsche bedeutet das: Ein Kind in Indien durch eine Leihmutter austragen zu lassen, ist nicht erlaubt. Beim Auswärtigen Amt heißt es: "'Leihmutterschaftsverträge', in denen sich eine Frau bereit erklärt, sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen oder einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen, sind in Deutschland sittenwidrig und damit nichtig."

Es gebe Fälle, "wo eine ganz tragische Situation dadurch entstanden ist, dass sich jemand über das Verbot hinweggesetzt hat, und nun sind diese armen kleinen Kinder in der Welt", sagt Matussek.

Auch Deutschland will den Kindern also keine Dokumente ausstellen. Die Rechtslage ist hart, aber eindeutig: Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass Kinder von Leihmüttern im Ausland mit deutschen Wunscheltern nicht automatisch qua Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit haben. "Mutter eines Kindes ist vielmehr die Frau, die es geboren hat, also die Leihmutter und nicht die 'Wunschmutter'", heißt es auf der Homepage des Auswärtigen Amts. "Dementsprechend können deutsche Stellen die Mutterschaft einer 'Wunschmutter' auch dann nicht anerkennen, wenn eine ausländische Geburtsurkunde sie als vorgebliche 'Mutter' ausweist."

"So saßen wir dann allein in einem fremden Land fest"

Auch der Ehemann der Wunschmutter könne keine Vaterschaft aus der Ehe herleiten, weil er nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet sei. Im rechtlichen Sinne sei das Paar aus Bayern also nicht mit den Zwillingen verwandt, unabhängig davon, wessen Sperma und wessen Eizelle zur künstlichen Befruchtung verwendet wurden. Die deutsche Botschaft könne daher keine deutschen Pässe für die Kinder ausstellen.

"Die deutschen Behörden gehen davon aus, dass - auch nach indischem Recht - der Ehemann der Leihmutter der rechtliche Vater ist", sagt der Ulmer Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser, der die Wunscheltern vertritt, SPIEGEL ONLINE. Diese Sichtweise sei allerdings "erbärmlich". Die Leihmutter erhebe gar keinen Anspruch auf die Kinder und habe schon lange keinen Kontakt mehr zu ihnen, zwischen Wunscheltern und Kindern gebe es ein Eltern-Kind-Verhältnis. Offensichtlich wolle man aber ein Zeichen setzen, um weitere solcher Fälle zu verhindern. Seine Mandanten würden für ihre Ehrlichkeit bestraft - hätten sie sich als leibliche Eltern ausgegeben, hätte das niemand überprüft.

Roland Kipke vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften in Tübingen sagte dagegen dem "Schwäbischen Tagblatt", es sei "ein fundamentales Element unseres Lebens, dass man weiß, wohin man gehört". Durch die Leihmutterschaft werde diese "natürliche Ordnung aufgebrochen". Eine wesentliche Rolle spiele auch der kommerzielle Aspekt: Dass man sich eine Leihmutter kaufen könne, mache es zusätzlich anrüchig. Im aktuellen Fall plädiert er aber für eine pragmatische Lösung: Wenn es rechtlich möglich sei, solle man die Kinder zu den Eltern lassen, zitiert die Zeitung den Wissenschaftler.

Das ARD-Hörfunkstudio deckte den Fall auf, als der Vater sich vor einem indischen Gericht im Bundesstaat Gujarat um eine Lösung des Problems bemühte. Er habe die Gesetzeslage damals so interpretiert, dass Leihmutterschaft in Deutschland zwar verboten sei, sagt der Vater dem Sender. Seine Kinder seien aber im Ausland zur Welt gekommen. Eine Woche nach der Geburt der Kinder habe er die deutsche Botschaft in Neu-Delhi informiert, dass es sich um eine Leihmutterschaft handele. Doch die Botschaft teilte ihm mit, dass man der Familie nicht helfen könne. "So saßen wir dann allein in einem fremden Land fest."

"Was sollen wir denn machen? Die Kinder zurücklassen?"

Seit zwei Jahren harrt der 47-jährige Vater, ein Kunsthistoriker, nach ARD-Angaben nun mit seinen Kindern in Indien aus. Seine berufliche Selbständigkeit gab er dafür auf. Die Kinder lernen derzeit sprechen - und zwar Deutsch. Er sei durch die ganze Angelegenheit ziemlich belastet, heißt es, psychisch wie finanziell. Seinen Namen und seinen Heimatort in Bayern möchte er deshalb nicht nennen. Er kämpfe nicht nur vor indischen, sondern auch vor deutschen Gerichten darum, seine Kinder mit nach Deutschland nehmen zu dürfen. Seine Frau sei seit Herbst wieder in Deutschland, um Geld zu verdienen. Einen Eilantrag, dass die Kinder in Deutschland einreisen können, lehnte das Verwaltungsgericht Berlin im Herbst ab. Jetzt muss das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden.

Doch demnächst läuft das Visum des Vaters aus. Sollten die indischen Behörden es nicht verlängern, muss er das Land verlassen - ohne seine Kinder. "Was sollen wir denn machen?", fragt der verzweifelte Mann. "Die Kinder zurücklassen?" Das sei nach der Geburt nicht in Frage gekommen, sagt er der ARD. "Wenn man die kleinen Würmer sieht, dann entsteht sofort die Bindung und man spürt die Verantwortung. Ich weiß nicht, wer dann in der Lage wäre zu sagen: Ich ziehe mein behagliches Leben in Deutschland vor und gebe die Kinder weg, weil ich mit der Situation nicht zurecht komme."

Hätte der Fall sich komplett in Deutschland abgespielt, hätte sich der deutsche Staat aufgrund seiner Fürsorgepflicht der Sache annehmen müssen, sagt Botschafter Matussek. Im Ausland dagegen könne der deutsche Staat nicht direkt eingreifen. "In der Tat ist es so, dass wenn - ohne ihr Verschulden - nun zwei kleine Inder in die Welt gesetzt sind, dann kann ich die nicht qua deutscher Staat automatisch zu Deutschen machen. Das ist vom Gesetz her verboten."

Eine - zumindest theoretische - Lösung sei aber die Adoption der beiden Kinder. Auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE teilte das Auswärtige Amt mit, dies sei der einzige Weg aus der schwierigen Lage der Familie. Doch bis die Bürokratien beider Länder darüber entschieden haben, dürften Monate vergehen. Eine Hürde ist, dass die Kinder keine Papiere haben, weder indische noch deutsche. Die beiden Zweijährigen sind wegen der unterschiedlichen Auffassungen Deutschlands und Indiens zum Thema Leihmutterschaft staatenlos.

Mit Material von dpa

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,681644,00.html