Adoptionsvermittlung wegen Kinderhandels angeklagt
NDR exklusiv
Adoptionsvermittlung wegen Kinderhandels angeklagt
Die Kinder dürfen bei ihren Adoptiveltern bleiben - egal wie der Prozess ausgeht. (Archivfoto)
Eine Hamburger Adoptionsvermittlung steht im Verdacht, widerrechtlich Kinder aus Russland nach Deutschland vermittelt zu haben. Nach vierjähriger Ermittlung hat die Staatsanwaltschaft Hamburg nach Informationen von NDR 90,3 und NDR Info jetzt Anklage gegen drei Hauptverantwortliche des Vereins International Child's Care Organisation (ICCO) wegen gewerbsmäßigen Kinderhandels erhoben.
In dem Fall geht es um kleine Kinder aus Russland, die zwischen 2003 und 2006 von Paaren in Deutschland adoptiert wurden. "Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben wegen 30 Fällen von verbotener Kindervermittlung. Hierbei handelt es sich überwiegend um Mädchen und Jungen, die heute schätzungsweise zwischen fünf und zehn Jahre alt sind. Diese Kinder stammen nach unseren Erhebungen entweder aus sozial schwierigen Verhältnissen oder waren Waisenkinder", sagte der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers. Die Kinder waren Möllers zufolge zwar zur Adoption freigegeben, dem Verein habe jedoch die notwendige Erlaubnis der russischen Behörden gefehlt. "Zum einen hatte der Verein keine Lizenz, in Russland selbst tätig zu werden, und zum anderen war es dem Verein nach unseren Erkenntnissen und nach unserer Beurteilung verboten, über die Zwischenschaltung einer dritten Person, hier eines amerikanischen Unternehmens, Adoptionen durchzuführen."
Kinder dürfen bei Adoptiveltern bleiben
Die adoptionswilligen Eltern zahlten für ein Kind zwischen 10.000 und 20.000 Euro, nach Informationen des NDR manchmal sogar mehr. Für die deutschen Familien hat das Verfahren nach Angaben der Staatsanwaltschaft keine Auswirkungen, sie dürfen ihre Kinder behalten. Möllers: "Die Adoptionen sind rechtswirksam, die Kindern leben bei ihren Adoptiveltern in Deutschland, und wir hoffen, dass es den Kindern gut geht."
Zweifel an Seriosität der Vermittlungspraxis von ICCO
Das hofft Rolf Bach von der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle in Norddeutschland auch. Für den Behördenleiter ist ICCO seit Langem ein rotes Tuch. Er entzog dem Verein bereits vor vier Jahren die Lizenz. Mehrfach hatten sich adoptionswillige Eltern über die Praktiken des Vereins gewundert. "Und wir haben aus verschiedenen Herkunftsstaaten - Nepal, Haiti, Vietnam, Madagaskar, Südafrika - Beschwerden von örtlichen Gerichten, Regierungsstellen, aber auch von Kinderheimen, zum Teil auch von leiblichen Eltern erhalten, die große Zweifel an der Seriosität der Vermittlungspraxis von ICCO begründet haben", sagte Bach.
Angeklagten drohen Haftstrafen bis zu zehn Jahren
ICCO darf zwar keine Kinder mehr vermitteln, aber Eltern können sich theoretisch nach wie vor an den Verein wenden. Bach: "Die werbliche Adoptionsvermittlung ist verboten. Beratung, Information kann jeder Mann, jede Frau anbieten, auch gegen Entgelt." Den drei Angeklagten, die alle ihre Schuld bestreiten, droht eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.
Autorin/Autor: Kathrin Erdmann
Stand: 17.05.2010 19:45
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