SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3261/01 von Joke Swiebel (PSE) an die

23 November 2001


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3261/01 von Joke Swiebel (PSE) an die
Kommission. Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 und Ermöglichung der
bürgerlichen Ehe und Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare in den
Niederlanden. 





Amtsblatt Nr. 028 E vom 06/02/2003 S. 0002 - 0003



SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3261/01

von Joke Swiebel (PSE) an die Kommission

(23. November 2001)

Betrifft:
Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 und Ermöglichung der bürgerlichen Ehe und
Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare in den Niederlanden

 

Am
1. März 2001 ist die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000(1) über die
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung
für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten in Kraft getreten. Am 1. April
2001 ist in den Niederlanden das Gesetz über die Ermöglichung der
bürgerlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Kraft getreten
ebenso wie das Gesetz, das Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare
erlaubt.

In einem Schreiben vom 15. Mai 2001 hat der
Generaldirektor für Personal und Verwaltung der Kommission, Herr
Reichenbach, erklärt, dass seiner Auffassung nach alle nach
niederländischem bürgerlichem Recht geschlossene Ehen im Hinblick auf
die Anwendung des Beamtenstatuts innerhalb der Kommission anerkannt
werden müssen.

1. Ist es nach Auffassung der Kommission richtig,
dass sich Herr Reichenbach dabei auf Artikel 1 a des Beamtenstatuts
beruft, der den Beamten das Recht auf Gleichbehandlung ungeachtet u.a.
ihrer sexuellen Orientierung einräumt, sowie auf Artikel 9 der
Europäischen Grundrechte-Charta?

2. Ist die Kommission der
Meinung, dass im Einklang mit dieser Auslegung unter der Ehe und den
Ehepartnern in der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 auch die Ehe zwischen
zwei gleichgeschlechtlichen Personen verstanden werden muss, die nach
niederländischem bürgerlichem Recht geschlossen wurde?

3. Ist die
Kommission der Auffassung, dass, falls man die liberalisierte
niederländische Ehe, die während der Ausarbeitung der Verordnung bereits
ihre Schatten vorauswarf, aus dem Anwendungsgebiet der Verordnung hätte
heraushalten wollen, dies ausdrücklich und explizit in der Verordnung
hätte erwähnt werden müssen?

4. Ist die Kommission der Auffassung,
dass auch die elterliche Verantwortung von gleichgeschlechtlichen
Ehepaaren, die nach niederländischem Recht rechtmäßig für den Partner
des Elternteils entsteht, das zu dem Kind in einem
abstammungsrechtlichen Verhältnis steht, durch die Verordnung (EG) Nr.
1347/2000 abgedeckt wird?

5. Ist die Kommission der Auffassung,
dass in den Richtlinien und Verordnungen, die sich auf die Freizügigkeit
von Bürgern in der EU und anderen Personen beziehen, wie u.a. die
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68(2), der Begriff Ehepartner im Einklang mit
dem niederländischen Recht auch den gleichgeschlechtlichen Ehepartner
umfasst?

 

(1) ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 19.

(2) ABl. L 257 vom 19.10.1968, S. 2.

 

 

 

 

Antwort von Herrn Vitorino im Namen der Kommission

(12. März 2002)

 

Die
Kommission hat bereits Überlegungen zur Frage der Anerkennung des
niederländischen Gesetzes über Ehen von gleichgeschlechtlichen Partnern
in Bezug auf die Umsetzung im Beamtenstatut angestellt. In ihrer Antwort
auf die schriftliche Anfrage QE-P-2438/01 von Frau Buitenweg(1) vom 15.
Oktober 2001 heißt es dazu, sie habe sich mit der Frage befasst, wie
auf das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Niederlande
zu reagieren sei, das eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern
anerkennt. Nach Konsultationen innerhalb ihrer Dienststellen erteilt
die Kommission Anweisungen, die Eheschließung eines Beamten oder einer
Beamtin, die nach dem geänderten Bürgerlichen Gesetzbuch der Niederlande
anerkannt ist, in gleicher Weise zu behandeln wie jede andere, in einem
Mitgliedstaat anerkannte Eheschließung. Diese Haltung stützt sich auf
Artikel 1 a des Beamtenstatuts und Artikel 9 der Europäischen
Grundrechte-Charta und entspricht der Position, die der Generaldirektor
für Personal und Verwaltung in seiner Mitteilung vom 15. Mai 2001
eingenommen hat.

Wie durch die ständige Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs(2) bestätigt wird, der bisher lediglich mit
der möglichen Gleichstellung unverheirateter Partner mit Ehepartnern
befasst war, enthält das Gemeinschaftsrecht keine Definition der
Begriffe Ehegatte oder Ehe. Folglich hat der Gerichtshof entschieden,
dass bei der Auslegung die Lage aller Mitgliedstaaten, und nicht nur
eines einzigen, zu berücksichtigen ist, wenn diese Begriffe in
Rechtsakten auftreten, die gemeinschaftsweit

Geltung haben. Werden
zur Stützung einer dynamischen Auslegung gesellschaftliche und
rechtliche Entwicklungen angeführt, müssen diese nach Auffassung des
Gerichtshofs in der gesamten Gemeinschaft sichtbar sein. Aufgrund dessen
urteilte der Gerichtshof in der Rechtssache Reed, Artikel 10 der
Verordnung Nr. 1612/68 könne nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass
ein Arbeitnehmer, der Angehöriger eines Mitgliedstaats ist und im Gebiet
eines anderen Mitgliedstaats einer Beschäftigung nachgeht und in einer
dauerhaften Beziehung lebt, im Sinne der Verordnung unter bestimmten
Umständen als Ehegatte zu behandeln ist.

In diesem Zusammenhang
verweist die Frau Abgeordnete auf die Verordnung des Rates Nr. 1347/2000
über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche
Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten. Diese enthält
Bestimmungen zur Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen betreffend Scheidung, Trennung oder Eheaufhebung sowie
von in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen betreffend die
elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten.

Diese
Verfahrensweise ist Teil des internationalen Privatrechts. Im Blick auf
die Beziehungen zwischen Ehegatten dient sie dazu, Regeln zur
Zuständigkeit festzulegen und in einem Mitgliedstaat die Anerkennung
einer in einem anderen Mitgliedstaat gemäß dem geltenden, nach seinem
internationalen Privatrecht anwendbaren Recht ausgesprochenen Scheidung,
Trennung oder Eheaufhebung zu ermöglichen. Auch wenn die Anwendung der
Verordnung auf Verfahren zur Scheidung gleichgeschlechtlicher Paare
nicht ausgeschlossen werden kann, verpflichtet dies die Gerichte nicht
dazu, die Scheidung auszusprechen oder anzuerkennen oder die Ehe
anzuerkennen.

Die Verordnung regelt auch die Vollstreckung der in
einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung zur Wahrnehmung der
elterlichen Verantwortung in einem anderen Mitgliedstaat. Folglich kann
die Ausübung der elterlichen Verantwortung nicht aufgrund dieser
Bestimmungen übertragen werden. Die Beziehungen zwischen einem
gleichgeschlechtlichen Partner und dem Kind des Partners bzw. der
Partnerin sind eine Angelegenheit des Familienrechts und unterliegen
somit dem innerstaatlichen Recht.

Die Frau Abgeordnete nimmt auch
Bezug auf die Bestimmungen zur Freizügigkeit, insbesondere auf die
Verordnung Nr. 1612/68, die in Artikel 10 ein Recht auf
Familienzusammenführung für den Ehegatten eines Arbeitnehmers begründet,
der sein Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat
ausgeübt hat. In Übereinstimmung mit der vorgenannten Rechtsprechung
gelten die gesetzlichen Bestimmungen der Niederlande zwar im
Hoheitsgebiet der Niederlande, doch bewirken sie weder die Ausweitung
des Begriffs Ehegatte nach Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68, noch
verpflichten sie einen anderen Mitgliedstaat zur weiter gehenden
Auslegung dieses Begriffs.

 

(1) ABl. C 93 E vom 18.4.2002, S. 131.

(2)
Rechtssache 59/85 Niederlande gegen Reed EuGH, Slg. 1986, S. 1283, D
gegen Rat der Europäischen Union EuGH, Slg. 2001, S. 4319.